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data monument, 2021

 

data monument
Ausstellungsansicht
Kerammikplatten, Fotografie,
KIT, Düsseldorf, 2021
Fotos: Ivo Faber

Dem aufmerksamen Blick entgehen die Maserungen in ebendiesem Beton nicht: Die Spuren der Holzlatten, in die diese vormals gegossen wurden, hinterlassen sanfte Abdrucke von Astlöchern und Jahreslinien. Dieses Detail ist Yoana Tuzharova (*1986) aufgefallen, als sie für die Ausstellung ihre Rauminstallation „data monument“ konzipierte. Die Künstlerin beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahren mit Spuren und wollte diesen Prozess auch im KIT fortführen. Sie macht in ihren Arbeiten das sichtbar, was sich jeden Tag leicht übersehbar auf unserem wahrscheinlich meistgenutzten Besitz festschreibt: Fettschlieren und Swipe-Spuren, die beim Chatten, Mailen, Shoppen und Liken auf dem Smartphone-Display entstehen. Diese malerisch anmutenden und gleichzeitig automatisierten Gesten sind Spuren unseres Alltags, oder vielmehr: Spuren der Schnittstelle zwischen digitaler und körperlicher Welt. Gleichzeitig sind sie Ursprung der Digitalität, in der in Sekundenbruchteilen Entscheidungen mit nur einem Daumendruck getroffen werden.

 

Das „data monument“ übersetzt virtuelle Strukturen in einen analogen Raum: Die auf den körperlichen Maßstab der Künstlerin abgestimmten Wende und Nischen lassen sich vielfach deuten. Handelt es sich im ersten Moment noch eindeutig um eine Fassade, stehen wir im nächsten vor einem Schaufenster, in dem das Dahinterliegende in einem bestimmten Kontext inszeniert wird. Von der anderen Seite befindet man sich in einem Innenraum, der mit ornamentversehenen Fliesen dekoriert wird und einem Thermalbad ähneln könnte, also einem Ort der luxuriösen Zuflucht. Die glatte, hygienisch-blaue Oberfläche der Fliesen ist der krasse Gegensatz zum Ursprung des Motivs, der in den Fettspuren und Dreckresten, Fusseln und Rissen im bakterienbehafteten Glas des Smartphone-Displays liegt. Die mimetische Spiegelung der Formen schwingt sich in sakralen Bogen unendlich fort, ähnlich wie das stetig wachsende Paralleluniversum World Wide Web, das die „echte Welt“ reflektiert, sie verformt und

dann aus Bildschirmen strahlend auf uns zurückwirft. Im spitz zulaufenden Raum entfaltet sich eine Wirkung, die von Festtags-Assoziationen bis zu faschismusnahen Symboliken reicht. Die analogen Bewegungen wurden von Tuzharova abfotografiert und im Digitaldruckverfahren auf Stoffbahnen gedruckt und spiegeln so die thematische Gegensätzlichkeit, die auch im Smartphone gegeben ist. Wir begeben uns hier in eine Situation, die rasant schnell umkippen kann: Von Genuss zu Beklemmung, von Kollektiv zu Individuum, von Symbol zu System.

Nantje Wilke

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